Die Kritik
Wochenschau des öffentlichen Lebens
Berlin, den 3. Oktober 1896
III. Jahrgang Nr. 105

Provinzialbriefe
XIII. Morgenstern

„Im Unterschiede von den übrigen Ländern hat sich die Frauenbewegung in Deutschland — abgesehen von einigen sozialistisch gefärbten Lebensäußerungen in den Kreisen der großstädtischen Arbeiterinnen — stets strenge innerhalb der durch die Erwerbsfrage gezogenen Grenzen gehalten.” So konnte noch in dem 1892 erschienenem dritten Bande des großen Staatshandwörterbuchs der Jenenser Professor Pierstorff versichern, gerade 100 Jahre, nachdem Theodor von Hippel am Ende seines Lebens über die bürgerliche Verbesserung der Weiber geschrieben und in diesem umfangreichen Werk völlige Gleichberechtigung der Frauen, insbesondere auch ihre Zulassung zu allen Staatsämtern in einer vorausschauenden Kühnheit gefordert hatte, die seine Zeitgenossen nicht anders sich zu assimiliren vermochten, als daß sie das Ganze für einen ironischen Spaß des Humoristen hielten. Nach einem Jahrhundert noch durfte der Gelehrte befriedigt die Forderungen des Genies als nicht realisirt bezeichnen, wie wenn nur ein halb Dutzend Jahre inzwischen verstrichen wären, und nun plötzlich scheint es, als ob Herr Pierstorff 1792 und Hippel 1892 gelebt. Wer die Vorgänge, die sich auf und neben den internationalen Frauen-Kongreß, der in der Woche vom 20. bis 26. September in Berlin tagte, mit deutendem Ernst beobachtet hat, dem bleibt es unverständlich, wie noch kurz zuvor ein wissenschaftlicher Zuschauer die Existenz einer radikalen Frauenbewegung für Deutschland in Abrede stellen durfte. Rast die Entwicklung mit fliegender Eile am Ende dieses Jahrhunderts, wie wenn es schamhaft noch in seinen Scheuern bergen möchte, was überreif und auswuchsdrohend der Ernte entgegenharrt, damit es vom nächsten nicht ob seiner vergeudenden und verwüstenden Trägheit gescholten werde? Oder hat nur der Professor die bekannte Schwerhörigkeit für das Unterirdische gezeigt, indem er achtlos über den Boden hinwegschritt, unter dem munter Quellen-

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geriesel und Quellengegluck den Aufmerksamen den werdenden Strom kündete? Man mag beide Ursachen zusammen dafür verantwortlich machen, daß das Auftauchen einer respektablen Frauenbewegung scheinbar mit urplötzlicher Gewalt sich vollzogen hat, und es wäre noch als dritte Erklärung des Phänomens hinzuzufügen, daß die Stärke der Erscheinung unter dem Firniß des aktuellen Interesses über die Wahrheit hinaus gesteigert ist, wenn ihr Werth auch keineswegs so verächtlich ist, wie Zukunftsangst oder Zukunftsblindheit in geziertem Stolz und zitterndem Dünkel die urtheilslose Leidensgenossenschaft trösten möchte.

Anfänglich glaubte man wohl, seine geistige Theilnahme nicht für jene Veranstaltung bemühen zu brauchen. Der internationale Frauenkongreß war als eine Appendix zu der wüsten Gewerbe-Ausstellung geplant, und die Berlinischen Witzindustriellen rüsteten sich vielleicht, die Veranstaltung, ein Seitenstück zu den Dahomeyerinnen des Panoptikums, als die Schaustellung von 300 wilden weißen Weibern in den Vergnügungspark zu verlegen. Dazu kam, daß die Urheberin der Idee und die Arrangeurin des Kongresses Frau Lina Morgenstern war; und wie hoch man auch die liebenswürdig-wohlwollende und durchaus nicht erfolglose Betriebsamkeit dieser Dame bemessen mag, darüber bestand kein Zweifel, ein starker geistiger Gehalt, tapfere Rücksichtslosigkeit und unerschrockene gedankliche Konsequenz mußte unter ihrem entscheidenden Einfluß unmöglich werden. Der Geruch der Volksküche wurde erwartet, und wenn es hoch kam, begeisterte sich ein füt alle idealen Güter schwärmenden Hausfrauensverein für die naturgemäße Gestaltung Fröbel'scher Kindergärten. Als ein eigengemachtes Morgenstern-Liedlein die Verhandlungen eröffnete, da schien die Prognose völlig bestätigt und man sah eine Anzahl harmonischer Tage des Reizenden, Süßen und Versöhnlichen heraufdämmern. Indessen der Witz verkroch sich und die Hoffnungslosigkeit flüchtete, etwas Bedeutendes, Stattliches und Kampffrohes erstand in diesem Parlament der Frauen, und Lina Morgensterns wohltuender Eifer leistete, auf den Außendienst beschränkt, Führerdienste durch Berlins gemeinnützige Anstalten. Zwar ihre Person blieb noch gegenwärtig, aber ihr Geist weilte fern in der guten Stube einer maßvollen, gesitteten und gebildeten Frauenbewegung.

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Der Frauenkongreß zeigte eine Eigenthümlichkeit, die man letzthin öfters beobachten konnte. Wo gemischte Versammlungen irgend einen Theil der sozialen Frage ernsthaft zu behandeln streben, da wächst unversehens eine nicht mehr zu hemmende zentripetale Kraft empor, welche zu den letzten Entscheidungen, den radikalsten Problemstellungen und Lösungen drängt. Als vor einigen Jahren in Frankfurt am Main ein von Anhängern aller Parteien besuchter Kongreß sich mit der Frage der Arbeitslosigkeit beschäftigte, nahmen sofort, ganz wider die Absicht der Veranstalter, die Verhandlungen die Richtung zum Extrem, und als ein Handelskammersekretär der rheinisch-westfälischen Gegend, diesen radikalen Zug durch seine Theilnahme nicht legitimiren und sich nicht kompromittiren mochte, als Einziger gegen die allgemeine Stimmung Front machte, da wurde er mit einer Rede ausgelacht, die im Reichstag sicherlich bis weit in die Reihen der Linken hinein stürmischen Beifall gefunden hätte. Ganz ähnlich auf dem Berliner Frauenkongreß. Auch ohne die Dazwischenkunft der deutschen Sozialdemokratinnen wären die Verhandlungen ins Radikale gediehen, nachdem einmal in einzelnen Ausländerinnen furchtlose Rassengestalten der Frauenbewegung zum Wort gekommen waren. Die Probleme selbst erzwangen diesen Verlauf, und die Menge der Widerstrebenden, der Linden, Lauen und Lahmen wagte es schließlich, nur schweigend zu demonstriren. Die Kapitulation vor dem Radikalismus war vollständig, und die Frauenfrage hat bewiesen, daß man sie ganz beantworten muß oder gar nicht. Der ungestüme Einfall der sozialdemokratischen Orthodoxie hat diese Kapitulation nicht erzwungen, sondern im Gegentheil ihr offenes naives Einverständniß ein wenig gehemmt. Auch hier gab es, wie auf jenem Frankfurter Kongreß, eine einzige verlorene Erscheinung, die in reichsdeutschem Nationalbewußtsein gefestigt war, wie aber die Aermste mit tiefathmender Entrüstung zu kontaktiren und zu protestiren gedachte, daß an dieser Stelle Umsturz gepredigt worden sei, da wurde vor der Präsidentin der Einwand erhoben, daß ihr loyaler Protest nicht zur Sache gehöre. In der That bewies dieses Frauenparlament eine höhere Intelligenz, als die Männerparlamente, Männerparteien und Männerregierungen, die sich immer noch nicht zu der Erkenntnis durchgedrungen haben, daß

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bei der Berathung und Bewältigung sozialer Probleme Umsturz eine Vokabel ist, die nicht zur Sache gehört. Frau Küstner, so hieß die ordenswerte Deklarantin, hat wenigstens noch die Ehre der reichsdeutschen Patriotenfrau zu retten gesucht, die Veranstalterin des Kongresses jedoch ließ all die rednerischen Greuelthaten ruhig geschehen. Ob sie wohl Freude hatte an solchen Verlauf ihres Werkes oder ob sie die großen Tage ganz vergessen hatte, da es ihr vergönnt war, Kaiserinnen und Kronprinzessinnen durch die Wunder ihrer Volksküche in ehrfürchtigen Stolz zu geleiten — wie schön leuchtete der Morgenstern damals! — und demüthig vor der Allgewalt der Konsequenz sich beugte, in frohem Erstaunen, daß es möglich sei, auch ohne hohe Protektion das Wagniß, die Frauenfrage zu lösen, auf sich zu nehmen?

Außerlich hatte der Frauenkongreß zunächst etwas von dem Charakter der Gewerbe-Ausstellung, die ihn veranlaßt hat: die unkünstlerische, protzige Anhäufung des Stoffs, das Zuviel der Gegenstände, das Nebeneinander von Wichtigem und Winzigem, so daß schließlich in dem Wirrsal des Massenhaften und Ungleichwerthigen, statt Klärung ein schmerzendes Taumelgefühl das Ergebnis war. Die großen Frauenfragen wurden überwuchert von der Anzahl der kleinen Frauenbestrebungen. Der internationale Agrarkongreß, der eben in Budapest die Schutzherren der nationalen Arbeit zur Vaterlandslosigkeit verlockt hat, sollte vorbildlich für solche Veranstaltungen sein. Dort beschränkte man sich auf die Erörterung einer einzigen Frage, des Sinkens der Getreidepreise. Auf dem Berliner Kongreß suchte man ein unermeßliches Gebiet zu erschöpfen, und über der breiten Schilderung all der netten frauenhaften Wohlthätigkeiten kamen die Prinzipienfragen zu kurz. In klug bescheidener Resignation hat denn auch Frau Minna Cauer, eine der begabtesten und einsichtigsten bürgerlichen Frauenkämpferinnen, in ihrem Schlußwort diesen Fundamentalfehler des Unternehmens hervorgehoben. Gleichwohl verdiente der Kongreß keineswegs jene karge, jämmerliche und fälschende Berichterstattung, die ihm ein Theil der Presse hat angedeihen lassen. Was soll man freilich von Leuten erwarten, die einen Schnapper-Arndt, diesen Meister deskriptiver Nationalökonomie, nicht einmal dem Namen nach kennen, und ihn mit verstümmeltem Namen als

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einen Heidelberger Herrn behandeln, den man nicht ernst nehmen brauche.

Der Kongreß bot vielmehr ein äußerst lebendiges Bild jener großen Kulturbewegung, deren Gedeihen und Erstarken eine der wenigen Tröstungen unserer Zeit bildet. Mit der Menschwerdung der Frau vollzieht sich die Befreiung der Menschheit. Alle Stimmungen, die dieser heilige Krieg gebiert, fanden auf dem Kongreß ihren Ausdruck. Man merkt, daß die Frauenbefreiung jetzt von den Frauen selbst in die Hand genommen ist. Das einzige bornirte Schlagwort, das die männlichen Frauenritter befeuerte: Emanzipation des Fleisches, ist jetzt verstummt. Eher macht sich hier und da eine leise Tendenz zur Emanzipation vom Fleische geltend. Indessen artet der asketische Zug nirgends pathologisch aus. Die wirr-witzige Erotomanie einer in den dunklen Räthselecken des Weibempfindens wühlenden reaktionär-revolutionären Literaturmodistin zeigte sich auch nicht in den leisesten Andeutungen. Dafür ringt um so leidenschaftlicher die Sehnsucht nach geistiger Erhöhung und ein stark ausgeprägtes soziales Mitleidsgefühl, das bei den Vorgeschrittenen fast schon zur sozialen Gerechtigkeitserkenntniß erstarkt ist.

In grober Sonderung kann man die Frauenfrage vierfach gliedern: als Geschlechtsfrage, Bildungsfrage, Rechtsfrage, soziale Frage, wenn es gestattet die letztere, mit der ja alle übrigen komplizirt sind, im engeren Sinne auszulösen. Die Geschlechtsfrage ist vornehmlich ein unheimliches Problem der bürgerliche Frau der Mittelstände, die erzwungene Ehelosigkeit ist nicht im gleichen Maße eine Geißel für die von der Konvention befreite Proletarierin, sie wird andererseits als Eheverspätung zum sexuellen Elend der seiner organisirten Männer, die sich mit dem brutalen Surrogat idiotischer Funktionsbefriedigung nicht prostituiren wollen. Das Recht auf höhere Bildung, das im Ausland zum größten Theil errungen ist, bildet ein spezielles Desiderium der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung. Das Verlangen nach staatsbürgerlicher Gleichberechtigung ist auch jenseits der deutschen Grenze noch nicht erfüllt. In der wirtschaftlichen Frage endlich mündet der ganze

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Komplex der Probleme, und hier berührt sich auf's Innigste die proletarische mit der bürgerlichen Frauenbewegung. Der interessanteste und bedeutsamste Moment des Kongresses war die Abrechnung, welche die Führerinnen der proletarischen Frauenbewegung mit den Häuptern der bürgerlichen vornahmen. In abseits vom Kongreß veranstalteten Frauenversammlungen setzte sich der Streit fort. Der Angriff war schroff und rücksichtslos, die Vertheidigung sanft und liebenswürdig, fast hatte man den Eindruck, als ob viele nicht ungern kapituliren würden. Die Ausländerinnen fraternisirten theilweise offen mit dem Gegner. In Frau Clara Zetkin, der glänzen beredten und äußerst temperamentvollen Sozialdemokratin, trat der bürgerlichen Frauenrechtlerin gerade eine Vertreterin der sozialistischen Orthodoxie entgegen. Frau Zetkin war es, die vor einem Jahre auf dem Breslauer Parteitag der Sozialdemokratie am heftigsten das reine Programm gegenüber den Anhängern eines besonderen taktischen Agrarprogramms vertheidigte, sie hängt fanatisch an der Idee des Klassenkampfes, und ihr graut vor Reformerei und Verwässerung. So ist es auch begreiflich, daß ihr nichts daran lag, die bürgerlichen Frauen zu verführen. Es wurde ihr schwer, die unleugbaren Gemeinschaften zuzugeben, und sie gesellte die Frau, die vom Manne los wollte, doch wieder als Klassengenossin dieses Mannes, obwohl die bürgerliche Frauenrechtlerin nur in der Dienstmädchenfrage sich von Klasseninteressen beherrschen läßt. Diese Frage auf dem Kongreß zu erörtern, blieb auch einem Manne vorbehalten. Die reinliche Klassenscheidung ist in der Frauenfrage zweifellos nicht möglich, die Grenzen sind überall fließend, und der Uebergänge und Berührungen sind viele. Es wäre sicher Frau Zetkin nicht allzu schwer gefallen, wenn sie liebenswürdiger gewesen wäre, erfolgreiche Propaganda zu treiben. Sie hätte etwa ausführen können:

„Gewiß sind alle Eure Wohlthätigkeitsbestrebungen löblich und unterstützungswerth. Die Noth kann nicht warten auf ein noch unsicheres goldenes Zeitalter. Jede kleine Linderung, jede gemeinnützige Einrichtung ist dankbar anzuerkennen. Ihr könnt gar nicht genug auf diesem Felde arbeiten. Und nur wenn Ihr Eure kleinen Hilfeleistungen als aller Uebel Lösung ausschreit, wenn Ihr gar

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durch sie unsere Bewegung zu hemmen sucht, dann trifft Euch unser Spott und unsere Feindschaft. Seid wohlthätig, aber stört auch diejenigen nicht, welche die Köpfe rebelliren. Nun aber wollt Ihr ja nicht nur wohlthätig sein. Ihr wollt auch neue Rechte erobern, Ihr wollt nicht nur für die Anderen, sondern auch für Euch arbeiten. Ihr wollt an den Universitäten studiren, Staatsämter bekleiden, den Wahlzettel erringen, rechtlich dem Gatten gleich gestellt sein. All das wollt Ihr. Vertraut Ihr dem Wohlwollen der Männer? Nun, Ihr habt, als das bürgerliche Gesetzbuch berathen wurde, einen großen Petitionssturm entfesselt. Hat sich der Reichstag auch nur darum gekümmert. Die Herren Professoren an den Universitäten, wenigstens die Mehrzahl, weigern Euch hartnäckig ihre Vorlesungen, obwohl sie selbst Töchter haben. Wollt Ihr sie mit dem Mittel zwingen, das Anzengruber in seinen „Kreuzelschreiben” empfiehlt, oder gar mit der umgekehrten Taktik? Erreichen könnt Ihr nur etwas, wenn Ihr eine politische Macht seid, d.h. wenn Ihr Euch an eine Partei anschließt und für sie wirkt, die einmal Eure Forderungen in ihrem Programm vertritt und die zweitens Aussicht hat, die politische Macht zu gewinnen. Könnt Ihr da noch im Zweifel sein, wo Euer Platz ist?”

Solche Sirenentöne verschmähte Frau Zetkin. Mit ihrem ganzen Parteistolz gerüstet, verzichtete sie gelassen, wie auf die Bauern, so auch auf die bürgerlichen Frauen, denen sie die Proletarierin als leuchtendes Vorbild gegenüber stellte. Und doch müssen wir, wenn wir unser Menschheitsideal bilden, gerade von der bürgerlichen Frau die Züge entlehnen, wie ihr Leidenskampf auch das tiefste Mitleid verdient.

Die deklassierte Frau des Mittelstandes mit ihrer Sehnsucht nach individueller Bethätigung geräth in den tragischen Konflikt, aus dem Asyl, das sie bisher vor den verheerenden Wirkungen des erbarmungslosen Erwerbslebens bewahrte, hinausgestoßen zu werden in diese Welt der rohen, sinnlos waltenden Kräfte. Was uns die Frau als das bessere Wesen erscheinen ließ, was wir als das Gesündere und Reinere verehrten, war eben diese Unberührbarkeit von den erniedrigenden Wirkungen des Wirtschaftslebens. Die Frau hatte sich die hellen, lauteren Kindinstinkte bewahrt, freilich auf

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Kosten ihrer geistigen Willensentwickelung. In dem Augenblick, wo sie Mensch zu werden trachtet, geräth sie in die Tretmühle der entgötterten Welt des Güteraustausches. Ihre bisherige patriarchalische Stellung, begründet zwar in wirtschaftlicher Nothwendigkeit, bewahrte sie zugleich in gewissem Grade vor den psychologischen Wirkungen des Wirthschaftslebens. Sie konnte sich den Schmetterlingsstaub ihrer Psyche erhalten, weil sie gewissermaßen in einem geheimen Utopien lebte. Es wäre ein unermeßlicher Kulturverlust, wenn die Frau beim Hinaustreten aus ihrem Asyl, wozu Wunsch und Zwang sie veranlaßt, denselben Akklimationsprozeß erlitte, der dem Manne das Beste und Tiefste geraubt hat. Die moderne Frau der bürgerlichen Gesellschaft, die noch im Besitz ihrer Asylschätze die Thüre zur neuen Welt öffnet, gerade diese Uebergangsfrau ist uns das Modell für unsere zukunftsgläubige Menschenbildnerei. Sie ist die berufene Mittlerin zwischen den Weltwendungen, in denen wir begriffen sind.

Gerade solche Erscheinungen aber sammeln sich in der bürgerlichen Frauenbewegung, und um ihretwillen sei den Vielen vergeben, die Eitelkeit und müßige Betriebsamkeit dorthin verlockt. Vielleicht kommen sie von selbst zu ihren ärmeren Schwestern, und es nicht nöthig, den Anschluß ihnen besonders zu erschweren. Jedenfalls erfüllen sie überall eine bedeutsame Mission, mögen sie auch nicht die Aufgabe lösen — was man bisweilen träumt — das Recht der Persönlichkeit und das Recht der Gemeinschaft in sich symbolisch zu versöhnen . . . . .

Das sind nur spärliche, zuckende Bemerkungen, dir wir an den internationalen Frauenkongreß knüpfen können, ein paar schweifende Einfälle, keine ausgeführte Kritik. Die Raumverhältnisse eines Journals wirken ja wie die 15-Minuten-Beschränkung, die auf dem Kongreß die Probleme zu durchbrechen zwang. Der Ausgang dieser Versammlung hat es bewirkt, daß sich der Name der Frau, die ihn ins Leben rief, seines spöttischen Klanges entkleidete und zum sinnvollen Zeichen ward. Es leuchtete der Stern über ihm, der als letzter der sterbenden Nacht in bleicher, ahndevoller Dämmerung Lichthüter ist bis zur Morgenröthe.

Tat-Twam