Die Kritik
Wochenschau des öffentlichen Lebens
Berlin, den 19. September 1896
III. Jahrgang Nr. 103

Provinzialbriefe
XI. Heilige Güter-Alliance

Der diplomatische Apparat hat in Breslau nicht so präcis funktioniert wie der militärisch-polizeiliche Sicherheitsdienst, in dessen Schooß der Zar beim Besuche des deutschen Vetters sein Haupt niederlegte. Es ist im Gegentheil eine Entgleisung passirt, die bei den Staatskünstlern des Hofes ein hübsches Entsetzen veranlaßt haben muß. Der deutsche Kaiser hatte in dem Toastwechsel beim Paradediener begeistert seine Freundschaft für den Zaren verkündet, der Zar aber, so wurde in erster Lesart amtlich mitgetheilt, antwortete ziemlich kühl: „Ich versichere Eure Majestät, daß ich von demselben traditionellen Gefühl für Sie und Ihr Haus erfüllt bin wie mein Vater.” Da nun der Herr Vater nicht gerade in den Geruch besonderer Deutschfreundlichkeit stand, so regte sich das Gewissen des offiziösen Telegraphenbureaus und am nächsten Tage

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las man in der zweiten verbesserten Auflage des Trinkspruchs folgende Wendung, die zwar nun nicht mehr wie ein heimlicher Hieb klingt, dafür aber unter den volksthümlichen Begriff der Retourkutsche fällt: Je puis Vous assurer, Sire, que je suis animé des memes sentiment traditionels que Votre Majesté”

Es mag ein pikantes Interesse haben, zu erfahren, durch wessen Schuld oder Verdienst die beiden Lesarten möglich geworden sind, im Uebrigen aber ist die eine Version so inhaltlos wie die andere, der Zar hat ganz treffend den Cliché-Charakter dieser höfischen Zeremonie bezeichnet, indem er von traditionellen Gefühlen sprach. In der That, traditionelles Gefühl ist alles. Nicht Ueberzeugungen, Begriffe, Grundsätze, Prinzipien, oder wie man sonst feste Bestimmtheiten nennen mag, werden als gleich und gemeinsam hingestellt, sondern das fluthende Ungefähr und die wesenlose Mystik des Gefühls wird zitirt, und damit dem im Wirren Schwankenden auch nicht der Schein des Wesenhaften bleibe, wird dem Gefühl noch das Attribut des Traditionellen beigelegt. In das Nichts traditioneller Gefühle löst sich die schemenhafte Politik der leeren Phrase auf. Ueberall wo statt der Idee die Unklarheit des Gefühls eingesetzt wird – und nie hat man so viel von Gefühlen gesprochen, wie in unseren gefühllosen Tagen! – da darf man überzeugt sein, daß man die Unvernunft zu verschleiern, die Gedankenlosigkeit oder das Unvermögen, begrifflich rein zu denken, zu verschminken beabsichtigt.

Das diplomatische Mißgeschick hat aber eine Wirkung gehabt, für die man dankbar sein muß, weil sie gewisse Stimmungen und Strebungen, die man freilich schon längst ahnend vermuthete, deutlicher und schärfer zum Ausdruck brachte. Um die Zweifel an der Fruchtbarkeit und Bedeutsamkeit der Breslauer Entrevue zu bannen,

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hielt Kaiser Wilhelm II. in Görlitz nach der Wegreise des Zaren eine Ansprache, die, wie man geflissentlich ausstreut, von diesem noch approbirt sein soll, und in der er folgende bemerkenswerthe Außerungen that: „Ganz besonders spreche ich Ihnen und dem Korps meine freudige Anerkennung aus, daß es Ihnen vergönnt gewesen ist, unter den Augen meines geliebten Nachbars und Vetters, S. M. des Kaisers von Rußland, in dieser verzüglichen Verfassung zu erscheinen. Wir stehen noch alle unter dem Zauber der jugendfrischen Gestalt des ritterlichen Kaisers und sein Bild schwebt vor unseren Augen, wie er an der Spitze des Regimentes seines verewigten Herrn Vaters vorbeizog. Er, der Kriegsherr über das gewaltige Heer, will doch nur seine Truppen im Dienste der Kultur verwandt wissen und zum Schutze des Friedens. In völliger Uebereinstimmung mit mir geht sein Streben dahin, die gesammten Völker des europäischen Weltheils zusammenzuführen, um sie auf der Grundlage gemeinsamer Interessen zu sammeln zum Schutze unserer heiligsten Güter.”

Wie ein unerhört Neues, wie eine Herrlichkeit von fast utopischem Glanz erscheint diese Kundgebung des goldenen Völkerfriedens leitartikelnden Versicherungen zufolge den aufathmenden Völkern, obwohl die Rede leider nicht von dem friedlichen Kriegsherrn über das gewaltigste Heer gehalten ist. Ein Blatt, bei dem freilich ein langjähriger Vorwärts-Redakteur zum Hofberichterstatter avancirt, macht seine allgemeine Monarchen-Mißachtung geltend, indem es in diesem besonderen Falle den Trinkspruch die bedeutsamste Kundgebung nennt, welche je von dem Munde eines Monarchen geflossen ist.

Seit dem Casseler Buddha-Pamphlet des Proffesors Knackfuß konnte man bereits darüber im Klaren sein, daß es der Zielgedanke und das Lebensideal des deutschen Kaisers sei, in deutscher Ab-

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wendung von der Bismärckischen Politik einen europäischen Kulturschutzbund wider die rothe Rasse zu Stande zu bringen, und insonderheit wiesen die vielfachen Versuche, Frankreich zu versöhnen, in diese Richtung. In dem Görlitzer Trinkspruch ist solche Tendenz unverhüllt ausgesprochen und zugleich Rußlands Uebereinstimmung versichtert worden. Indessen nicht ins Neuland führt das Ideal, in alte Zeiten werden wir zurückversetzt, in Zeiten, die selbst der loyalste Hohenzollern-Professor jetzt als trübe und verwirrte zu schelten wagt. In wunderlichem Kreislauf sind wir am Ende des 19. Jahrhunderts dort zurückgekehrt, von wo wir ausgingen. In einer Epoche, die voll ist von beispiellosem Entdecker- und Erfinderglück, erfreut sich die offizielle Politik romantisirend an Ausgrabungen und Restaurationen. Der Aufruf an die Völker Europas zum Schutz der heiligsten Güter unter der Protektion des Zaren ist völlig im Geiste und bis in die intimsten Einzelheiten ähnlich jenem Friedenszeitalter des halben Jahrhunderts, das unter dem weisen, internationalen Regime der heiligen Alliance stand. Was heute aus kaiserlichem Munde als sehnsüchtige, großartige Zukunftsforderung proklamirt wird, war damals erfüllt. Die Völker Europas waren in Frieden und geruhiger Kultur zum Schutze der heiligsten Güter wider den Umsturz vereint, und der Zar war damals wie heute der Patron Europas. Die Revolution von 1848 hatte jene Entwickelung abgeschlossen, die in dem Bismärckischen Zeitalter kulminirende Gegenrevolution führte ein merkwürdiges, in seinen Elementen auseinanderstrebendes Amalgam von heiliger Alliance und Umsturz herbei, und nun, scheint es, versucht man in die altbewährte Richtung von 1815 wieder einzulenken.

Im Bewußtsein der heutigen Generation hat sich das Bild der Vergangenheit unter den Einwirkungen der nationalen Legende bis

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zur Unkenntlichkeit verschoben. Sonst könnte nicht selbst vorgeschrittenen Köpfen die Idee eines europäischen Kultur und Friedensschutzbundes von Rußlands Gnaden in der militaristischen Oede erdrückender Rüstungen als eine freundliche Hoffnung erscheinen. Es verlohnt sich, mit ein paar Strichen sich die Entwickelung in′s Gedächtnis zurückzurufen, die sich in dem seltsamen Kreislauf vollendet hat.

Die heilige Alliance schützte, wie bekannt, mit Erfolg die heiligsten Güter der Kultur wider den revolutionären Umsturz des nationalen Bürgerthums. Die nationale Bewegung war seit den Freiheitskriegen die Revolution an sich. Konstitution und Preßfreiheit waren die Nebenforderungen, in erster Linie stand die nationale Einheit. Sozialistische Unterströmungen machten sich erst spät und spärlich bemerkbar, und wurden gerade von den radikalsten und revolutionärsten Ideologen schroff bekämpft, die die Einmengung wirtschaftlicher Interessen als eine Entweihung ihrer reinen Ideale empfanden. Der revolutionäre Nationalismus hatte keine Verwandtschaft mit der nationalen Schwatzhaftigkeit unserer Reaktionäre: Jener hatte eine Zukunftsaufgabe, diese begnügt sich, die heiligen Güter zu bestaunen und zu schützen, die ihnen der Umsturz geschaffen. Die große nationale Bewegung wurzelte aber auch in den guten Ueberlieferungen deutscher Gedankenarbeit. Von dem jämmerlichen bei allen Ideen schmarotzenden Opportunismus, der die geistige Unfähigkeit und Unklarheit mit der Larve realpolitischer Weisheit verschönt, war sie frei. Es ist eine Verleumdung, wenn man die Nationalrevolutionären der damaligen Zeit, weil sie Prinzipien starr verfochten und von der willkürlichen, launenhaften Von-Fall-zu-Fall-Politik nichts wußten, unpraktische, thatenlose

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Träumer heißt. Im Gegentheil, in der Schlaffheit der die heiligsten Güter der Kultur schützenden europäischen Friedensalliance drängten sie zu handeln, die Philosophie der That, die Theorie und Praxis eint, wurde proklamirt, und der nationale Freiheitskrieg galt ihnen als ein ebenso legitimes Mittel zur Erreichung ihrer Wünsche wie die Revolution. Ihre kriegerische Gesinnung aber bot dem Humanisten nichts Abschreckendes, weil sie lediglich an das Recht dachten, mit Waffengewalt die nationale Selbstbestimmung zu erkämpfen. Revolution und Krieg war für im Grunde dasselbe.

Auch in der logischen Konsequenz ihres Nationalismus unterscheiden sie sich wesentlich von den heutigen nationalen Onanisten. Sie erkannten das Recht nationaler Selbstständigkeit jedem Volke zu, und ihre vielverspottete Polenschwärmerei entstammte nicht kosmopolitischer Zerflossenheit und weichlicher Ausländerei, sondern der tiefsten nationalen Begeisterung, die natürlich das, was sie für sich selbst erstrebte, den andern einräumte, ja sogar ihnen kräftige Beihilfe leistete. Unsere Nationalen wissen gar nicht, wie lächerlich antinational sie sind, wenn sie ihre deutsche Gesinnung in der Unterdrückung fremder Nationalitäten bethätigen zu müssen glauben. Sie thun nichts anderes, als was die Schergen der ausgesprochenen antinational gesinnten heiligen Alliance thaten.

Anfangs der vierziger Jahre erschien in Berlin die französische Flugschrift eines polnischen Grafen über die Polenfrage im Sinne Rußlands – schon äußerlich also ein unübertrefflich internationales Werk. Es betitelte sich: Pensées sur l’avenir des Polonais und stammte vom Grafen Gurowski. Die Schrift ist recht geeignet, in die Stimmung jener Zeit einzuführen und zugleich die verwandten Beziehungen mit heutigen Strebungen zu erkennen. Ganz im Geiste der heiligen Alliance rieth sie Polen, seine nationale Selbstständigkeit in den gepriesenen Segnungen russischer Civilisation

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aufgehen zu lassen, und unter dem wilden Hohngelächter der revolutionären Deutsch-Nationalen schrieb dieser antipolnische Pole: „Die Bewegung, welche Europa und die christliche Welt gegenwärtig mit sich fortreißt, das ist die Arbeit, die Industrie, der Friede. Um den Frieden zu haben, ist Einigkeit nöthig, und so viel als möglich die Concentration und Einheit der Staaten.” Und Rußland sei die Garantie des Friedens. Könnte das nicht auch in Görlitz gesprochen sein? Es fehlen nicht in dieser Schrift die Hinweise auf die sozialen Segnungen des russischen Despotismus, dieses Horts der Kultur gegenüber den nationalen Umstürzlern. Nicht ganz ohne Grund. Denn in Wirklichkeit hat der Despotismus es immer als eine Sicherung und Erhöhung seiner Macht empfunden, nicht zwar das Prinzip sozialer Gerechtigkeit durchzusetzen, wohl aber neben dem kriminellen gleichsam auch ein soziales Begnadigungsrecht an den vom wirthschaftlichen Geschick Verurtheilten auszuüben. Das ist die monarchische Caritas, die bei dem zwölften Kind eines hungernden Taglöhners herablassend Pathe steht und armen Näherinnen Nähmaschinen allerhöchst schenkt.

Die Revolution gewährte dem nationalen Umsturz flüchtigen Sieg. Die heiligsten Güter der Kultur waren geschändet, und es war ein schlimmer Zufall, daß es gerade dem ersten Romantiker auf dem Throne der Hohenzollern beschieden war, die verrückte Pietätlosigkeit gegen die köstlichen Schätze der Vergangenheit zu erleben. Und dann kam Bismarck!

Bismarck war im Grunde seines Wesens ein vormärzlicher Staatsmann. Wenn heute Menschen, die mangels fruchtbarer Gedanken komödiantisch in den Gesichts- und Charakterzügen sogenannter großer Persönlichkeiten schwelgen, in Bismarcks das wundervollste Originalprodukt germanischer Rasse in verschwenderischen Lyrismen feiern, so ist die Wahrheit, daß diese einzigartige Indi-

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dividualität ein in vormärzlicher Zeit sehr gangbarer staatsmännlicher Typus war. Ein armer Adelicher. Vom Charakter hochfahrend, herrschsüchtig und wiederum aalglatt, einschmeichelnd und listig, besitzt er jene an Gründen nicht überfließende, Leute schwächeren Geistes blendende, Salonsprache und Redegabe; daher auch Mancher hinter seinen Reden in der Kammer etwas suchte, aber bei ruhiger Analyse nichts fand, als Behauptungen ohne Beweis, Widerspruch ohne Widerlegung, eingekleidet in eine wörterglänzende Sprache. Sein poltisches System verräth Frechheit aber keine Kühnheit, Unüberlegenheit aber keinen Muth, einen Satz Stirn an Stirn durchzukämpfen. Er ist ein politischer Spieler, er möchte um jeden Preis herrschen und Portefeuille und Gehalt nicht verlieren. Sein System ist durchaus nicht das rein monarchische. Er möchte den Fürsten von der Cotterie seiner Standesgenossen umgeben wissen, der Adel soll herrschen, der Regent dem Adel verfallen. Wie alle derartigen Individuen verhehlt er die Wahrheit, verdreht sie, erregt Befürchtungen, greift jeden Moment auf, um ihn seinem Herrn als Angriff auf die Rechte der Krone darzustellen und treibt die Ungeschicklichkeit so weit, jeden Angriff auf die Minister als einen Angriff auf die Rechte der Krone darzustellen, seine Person mit dem monarchischen Prinzip zu identifizieren. Die von ihm ausgehenden, vielen Zeitungsartikel, leicht am Style erkenntlich, sind weniger berechnet, auf das Volk, als nach oben zu wirken . . . . . .

Das hat kein Pamphletist gegen Bismarck geschrieben, es ist die Charakterschilderung, die ein national-revolutionärer Zeitgenosse von dem in den Badischen Verfassungskämpfen hervorragenden Minister v. Blittersdorf entwirft! Die Aehnlichkeit erkennt man auch in der Karikatur des Hasses, und wenn man, statt dem greisen Großherzog von Baden mühsam-schwülstige Jubilarartikel zu widmen,

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die Geschichte der Badischen Verfassungskämpfe durchblättert, so wird man von manch einem Parallelismus überrascht werden.

Die vormärzliche Gesinnung Bismarcks zeigt sich vor Allem in seiner Russenliebe. Die war ihm kein Mittel diplomatischer Taktik, sie war ihm Herzenssache, sie leitete ihn ja auch durch alle Schwenkungen seiner Politik. Rußland war ihm, ganz vormärzlich, das Bollwerk gegen die Revolution, zunächst gegen die nationale, dann gegen die soziale. Daß Bismarck, in der Tradition der Bekämpfung der nationalen Revolution aufgewachsen, bis an den Vorabend der Versailler Kaiserproklamation im deutschen Sinne antinational war, will man jetzt gern vergessen machen. So weit war er ganz vormärzlich, der Erbe Metternichs und der heiligen Alliance. Aber in diesem Manne lebte ein revolutionärer Blutstropfen, und so gelang es ihm, jenen Mischling von Revolution und Reaktion zu zeugen, den man das deutsche Reich nennt. Während die nationale Bewegung in ihrer Reinheit Revolution und Krieg als Mittel nationaler Befreiung anerkannte, überwand Bismarck die Revolution durch den Krieg, und er verbog zugleich den konsequenten Nationalismus in jener Weise, daß die Unterdrückung, nicht die Befreiung fremder Nationalitäten nationaler Ehrgeiz ward. Es konnte nicht anders sein, als daß aus dieser auseinanderstrebenden Zwiespaltigkeit der Bismärckischen Politik eine Wirrniß der Zustände entstand, die schier keinen Ausweg zu bieten scheint. In die Krone der deutschen Einheit war Quecksilber eingeschmolzen. Indem er die deutsche nationale Frage zur Hälfte löste, machte er Europa zum Schauplatz eines endlosen nationalen Haders

Die heilige Alliance einte Europa gegen das revolutionäre Sündenbabel Paris. Heute will man gerade Frankreich einschließen in den Bund der Kulturschützer. Aber es trifft sich, dank der

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Bismärckischen Politik, daß gerade Frankreich wiederum abseits steht, als das einzige Land, das in der nationalen Erhitzung noch eine Möglichkeit hat, von der sozialen Revolution abzulenken. Die heilige Güter-Alliance, welche die Streitkräfte wider den sozialen Umsturz sammeln will, wird gelähmt durch ein Gespenst, das durch Bismarcks Beschwörung aus dem Zeitalter der nationalen Bewegung übrig geblieben ist. Wird es gelingen, das Gespenst zu bannen und die zweite heilige Alliance zu Stande zu bringen?

Durch die Proklamation des Friedens, den wir alle wollen, lassen wir uns leicht über das Wesen der neuesten internationalen Bestrebungen täuschen. Es ist kein Verdienst, den Frieden zu wollen, wo er eine Nothwendigkeit ist. Abgesehen davon, daß Niemand den abscheulichen Muth hat, sich in die furchtbare Ungewißheit eines modernen Weltkriegs zu wagen, empfindet man das revolutionäre Element, das in jedem Krieg steckt. Kann nicht aus den Trümmern am Ende die Kommune aufwuchern? So wahrt man unter Rußlands Oberhoheit den Frieden, wie zu den Zeiten des heiligen Bundes. Dagegen hält man stets die Kriegsgefahr wach, bietet sie doch ein Mittel, unter dem Vorwand nationaler, heute nicht mehr revolutionär verleumdeter Sicherung die Reaktion zu organisieren. Unser Heer ist lediglich, das wird schon gar nicht mehr geleugnet, ein Schutzmittel gegen den inneren Feind.

Wo immer Völker, Fürsten und Regierungen aufgerufen werden, heilige Güter zu schützen, da weht der Athem der Metternich′schen Zeit, da sollen wir verlockt werden, unter der Vorspiegelung erkämpfenswerther Ideale, unsere Mission zu verrathen. Die heiligen Güter sind, genau betrachtet, allemal die unheiligen

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Interessen bestimmter Klassen. Das Lebensvolle und Lebenswerthe bedarf nicht des Schutzes, es ist unzerstörbar. Die heiligen Güter-Alliancen aber werden gebildet, um das Morsche zu stützen und das Kranke am Dasein zu erhalten. Der romantische Vergangenheitskultus und Pietätsfanatismus ist nicht die Sache der Zukunftsweiser. Nicht gilt es, heilige Güter zu schützen, sondern heilige Güter zu schaffen. Die Geschichte der nationalen Revolution mag uns belehrsam sein!

Tat-Twam