Demokratie und Diktatur

Erklärung

Hierbei handelt es sich um einen Resolutionsentwurf an die Berner Arbeiter- und Sozialistenkonferenz, 3.-10. Februar 1919.

Die Konferenz von Bern ist tief von der Überzeugung durchdrungen, daß der Sozialismus als Aktion seiner Verwirklichung überall die beherrschende Frage der nächsten Zukunft ist. Damit die Entwicklung zur sozialistischen Gesellschaft sich ohne Hemmung durchsetze, muß das Proletariat jeden Landes sich einig sein über das Wesen des Sozialismus, über die Mittel des Kampfes und die Formen der Verwirklichung. Die Konferenz fordert darum die Proletarier aller Länder auf, sich organisatorisch und sachlich in Theorie und Praxis einheit1ich zusammen zu schließen. Wenn die sozialistische Bewegung nicht sich selbst zerstören soll, so müssen sich die sozialistischen Parteien klar sein über die Probleme von Demokratie und Diktatur, von Nationalisierung und Sozialisierung. Zu diesem Zwecke ist es auch notwendig, daß die Versuche einer sozialen Revolution, die in Rußland unternommen worden sind, von Grund auf studiert werden. Darum ist es geboten, daß die Konferenz eine internationale Abordnung nach Rußland entsendet, um eine sachliche Grundlage zu schaffen für die Erörterung und Entscheidung der Probleme auf dem nächsten internationalen Kongreß. Indem die Berner Konferenz dermaßen die Fragen des Bolschewismus auf die Tagesordnung des nächsten internationalen Kongresses gesetzt zu sehen wünscht, warnt sie die bürgerlichen Regierungen, die jetzt den Völkerbund gründen wollen, den Bolschewismus als Schreckgespenst zu verwenden, um die Friedensverhandlungen reaktionär - imperialistisch - zu beeinflussen und zu entscheiden. Die Welt ist auf dem Wege zum Sozialismus, und es würde nur eine Zerrüttung aller Verhältnisse bewirken, wenn die kapitalistischen Regierungen versuchen würden, die notwendige und unaufhaltsame Entwicklung zum Sozialismus contrarevolutionär zu verhindern.

Kurt Eisner